Link zur Seite versenden   Druckansicht öffnen
 

Herzerkrankungen: Arzt aus der Region klärt über Irrtümer auf

09. 06. 2022

Sie sind Todesursache Nummer eins in Bayern: Erkrankungen von Herz und Kreislauf. Eine Kampagne soll nun über Risiken und Vorbeugung aufklären. Auch im Landkreis Passau ist viel geplant.

 

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Todesursache in Bayern. Fast 50.000 Menschen starben 2020 an einer solchen Erkrankung. Das bayerische Gesundheitsministerium hat die Herzgesundheit deshalb zum Schwerpunktthema 2022 erklärt und eine Aufklärungskampagne unter dem Titel "Hand aufs Herz" gestartet. Auch im Landkreis Passau wird es im Jahresverlauf eine Vielzahl von Veranstaltungen geben, die über Risikofaktoren und Vorbeugung aufklären.

 

Im Interview mit der PNP erklärt Kardiologe Dr. Michael Gröbner aus Salzweg, wie man auf sein Herz hört, wie es gesund bleibt – und wie man sich täuschen kann, wenn man den gängigen Klischees glaubt.

 

Die Zahl der Todesfälle wegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist im Trend der letzten zehn Jahre deutlich rückläufig. Die Zahl der stationären Krankenhausfälle stieg aber. Sind das nun gute oder schlechte Nachrichten?
Gröbner: Die Alterung der Gesellschaft hat zu mehr Herzschwäche-Erkrankungen und folglich zu mehr Krankenhaus-Aufenthalten geführt. Dagegen konnte die Sterblichkeit der Herzschwäche durch eine konsequentere Behandlung mit mehr und auch mit neuen Medikamenten gesenkt werden. Ähnliche Effekte zeigen sich für die ebenfalls häufigen Durchblutungserkrankungen wie chronische Herzkranzgefäßerkrankungen und Herzinfarkte: Hier spielen die schnellere Versorgung beim Herzinfarkt, optimierte Herzkatheter-Gefäßeingriffe und in der Nachbehandlung vor allem eine sehr strenge Cholesterinsenkung eine Rolle. Also: eine gute Nachricht! Die Fortschritte der Herz-Kreislauf-Medizin zeigen Wirkung.

 

Wenn man dem Klischee glauben darf, betreffen Herzprobleme vor allem "ältere Leute". Stimmt das?
Gröbner: Herzerkrankungen betreffen nicht nur den alten Menschen. Vor allem Herzrhythmusstörungen und Durchblutungsstörungen häufen sich bereits ab dem 40. Lebensjahr, auch bei Frauen. Das liegt daran, dass Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen und erhöhtes Cholesterin bei vielen schon ab dem Kindes- und Jugendalter bestehen. Deshalb muss eine wirksame Prävention so früh wie möglich ansetzen!

 

Was ist Ihrer Erfahrung nach der häufigste Irrtum?
Gröbner: Einer der größten Irrtümer ist: Herzinfarkt ist eine Männerkrankheit. Statistisch treten bei Frauen Herzinfarkte zwar seltener und später auf, haben aber eine erhöhte Sterblichkeit. Die Gründe: Frauen denken bei typischen Warnsignalen, wie Brustschmerzen oder akuter Luftnot, seltener an einen Herzinfarkt – und sie haben häufiger unklare Beschwerden, wie Übelkeit oder Oberbauchschmerzen. Das erschwert das Erkennen und verzögert die Behandlung des Herzinfarkts bei der Frau.

 

Viele Risiken sind bekannt, etwa ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel und Rauchen. Welche weiteren Faktoren gibt es?
Gröbner: Drei Risikofaktoren, die einfach festgestellt und gut behandelt werden können, sind Bluthochdruck, erhöhtes Cholesterin und Zuckerkrankheit. Hinzu kommen Stress und ein familiäres Risiko, wenn Eltern oder Geschwister im Alter von unter 60 Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten haben – insbesondere dann, wenn diese zuvor nicht geraucht haben.

 

Welcher Risikofaktor wird am meisten unterschätzt?
Gröbner: Eindeutig Bewegungsmangel! Dieser Risikofaktor wurde lange Zeit unterschätzt, ja gar nicht gesehen. Heute wissen wir: Er ist die Ursache für das sogenannte "metabolische Syndrom", die "Wohlstandskrankheit" mit Übergewicht, Bluthochdruck, Zuckererkrankung und erhöhten Blutfetten.

 

Welche Folgen kann eine Corona-Erkrankung aufs Herz haben? Und wie ist es bei der Impfung?
Gröbner: Patienten mit koronarer Herzkrankheit, Herzschwäche oder Rhythmusstörungen haben ein erhöhtes Risiko für schwere Covid-Verläufe. Aber auch bei Herzgesunden können Herzbeschwerden auftreten und nach der eigentlichen Infekt-Genesung noch Wochen bis Monate im Sinne eines Long- oder Post-Covid-Syndroms anhalten: Brustschmerzen, Herzstolpern und -rasen, Kurzatmigkeit und eingeschränkte körperliche Belastbarkeit. Diese Syndrome und schwere akute Krankheitsverläufe kann die Impfung deutlich reduzieren bis weitgehend verhindern. Und das bei einer hohen Impfstoffsicherheit. Deshalb geben die Fachgesellschaften zurecht eine Impfempfehlung – auch oder gerade für Herzpatienten. Im Übrigen: Die Herzmuskelentzündung ist als Covid-Folge in aller Munde, tatsächlich aber sowohl nach Covid-Infektion als auch nach Impfung sehr selten.

 

Wie wirken sich die pandemiebedingt geänderten Lebensumstände auf die Herzgesundheit aus?
Gröbner: Eine aktuelle Krankenkassen-Studie beweist: Der Lebensstil der Deutschen hat in der Pandemie gelitten. "Sitzweltmeister" sind junge Erwachsene mit 10,5 Stunden an Werktagen. Dabei spielen Homeoffice-Arbeit sowie die Schließungen von Sportanlagen und Fitnessstudios in Lockdown-Zeiten eine Rolle. Unterschätzt werden die psychosozialen Pandemie-Folgen Einsamkeit und Depression, zwei nachgewiesene Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine gute Nachricht gibt es dennoch: Manche Menschen haben in der Pandemie die Bewegung in der Natur für sich entdeckt.

 

Wenn ich meinem Herzen etwas Gutes tun möchte, wo fange ich am besten an?
Gröbner: Vier Maßnahmen halten Ihr Herz fit, ich nenne sie das gesunde Quartett: 1. Regelmäßige Bewegung ist tatsächlich die beste Medizin. Je mehr Bewegung, desto größer der Effekt. Die gute Nachricht: Jeder Schritt zählt, insbesondere für bisherige Bewegungsmuffel. 2. Ausgewogene Ernährung und Normalgewicht. Verzichten Sie in einem ersten Schritt auf Dickmacher wie Süßgetränke und Zwischensnacks. 3. Nichtrauchen: Nach einem Jahr ohne Zigarette hat sich Ihr Risiko für eine Herzkranzgefäßerkrankung nahezu halbiert. Und 4. Psychische Gesundheit: Resilienz, also Gelassenheit und seelische Widerstandskraft, gilt als neuer Gesundheitsfaktor in der Psychokardiologie. Zufriedenheit und familiäre Bindung sind dabei besonders wichtig.

 

Hand aufs Herz, Herr Dr. Gröbner: Befolgen Sie Ihre Tipps denn auch selbst?
Gröbner: Nichtrauchen und Normalgewicht halte ich durch. Ich bin leidenschaftlicher Radfahrer. Ich gebe zu: Die sportlichen Aktivitäten waren schon einmal mehr. Das Interview nehme ich als Motivation, mich wieder mehr zu bewegen – trotz oder gerade wegen des hohen Arbeitspensums in der Praxis. Für den Urlaub nächste Woche in Oberitalien wird auf alle Fälle das Mountainbike eingepackt.

 

HAND AUFS HERZ: VERANSTALTUNGEN UND INFORMATION

Die Kampagne "Hand aufs Herz" soll zum Thema Herzinfarkt und Herzgesundheit sensibilisieren und einen herzgesunden, aktiven Lebensstil fördern. Im Landkreis Passau wird sie federführend vom Präventionsteam am Gesundheitsamt, der Fachstelle Senioren, der Gesundheitsregionplus, den "gesunden Gemeinden", dem Bayerischen Landes-Sportverband, BRK und AOK realisiert.

 

Dabei wurde ein gemeinsamer Veranstaltungskalender mit Aktionen im ganzen Landkreis erstellt. Diesen und viele weitere Informationen rund um das Thema Herzgesundheit findet man auf der Internetseite der Gesundheitsregionplus www.gesundheitsregion-passauer-land.de im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung unter dem Stichwort Jahresschwerpunktthema.

 

Auf der Kampagnen-Homepage www.handaufsherz.bayern.de finden Interessierte unter anderem Tipps für ein gesundes Herz und einen Online-Test, mit dem jeder sein individuelles Herzinfarktrisiko ermitteln kann.

Das Highlight unter den geplanten Veranstaltungen im Landkreis Passau sind die Aktionstage von 30. September bis 4. Oktober, wie Lisa Fraunhofer, Geschäftsführerin der Gesundheitsregionplus berichtet. "Dabei kann an drei verschiedenen Standorten im Landkreis ein begehbares Herzmodell besichtigt werden", gibt sie einen Vorgeschmack. Diese Attraktion ist eingebunden in ein buntes Programm zum Thema Herzgesundheit und Erste Hilfe. Die Besichtigung des Herz-Modell ist am 30. September in Eging am See und am 4. Oktober in Salzweg auch für Schulklassen möglich.

 

Den Auftakt des Veranstaltungsreigens bildete das Stadtradeln, das drei Wochen lang zu mehr Bewegung animierte. Die Palette der kommenden Angebote reicht von der Senioren-Gymnastik über Ernährungsvorträge bis hin zum Defibrillator-Kurs.

 

Der digitale Veranstaltungskalender ist noch offen für weitere Angebote. Wer passende Veranstaltungen im Landkreis plant, kann diese der Geschäftsstelle der Gesundheitsregionplus mitteilen; sie werden dann im Veranstaltungskalender ergänzt.

 

Bild zur Meldung: Was dem Herzen schadet und was ihm guttut, erklärt Kardiologe Dr. Michael Gröbner im Interview.